B. DEN EUROPÄISCHEN MEHRWERT NUTZEN, UM GEGEN DEN TERRORISMUS ZU KÄMPFEN UND DIE INNERE SICHERHEIT ZU VERSTÄRKEN
Die europäischen Bürger erwarten natürlich, dass die Union sie besser vor der terroristischen Bedrohung schützt. Es handelt sich dabei sogar um eine ihrer größten Erwartungen. Es ist deshalb erforderlich, zu einer Europäischen Sicherheitsunion« zu gelangen.
1. Den Handlungsspielraum der Europäischen Union in der Bekämpfung des Terrorismus verstärken
Es liegt noch ein langer Weg vor uns: In Bezug auf die innere Sicherheit erfüllen die Mitgliedsstaaten derzeit 90 % dieser geteilten Kompetenz und sind in allererster Linie dafür verantwortlich 2 ( * ) .
Die Bemühungen sollten nun auf folgende Prioritäten ausgerichtet sein:
- es erscheint notwendig, einen juristischen Rahmen zu schaffen, der auf die Verschlüsselung zugeschnitten ist und es ermöglicht, effizienter gegen die Nutzung des Internets für terroristische Zwecke vorzugehen, und der es verhindert, dass sich Internetanbieter den Anfragen der Staaten im Rahmen von Strafverfahren entziehen können;
- wir müssen die Einspeisung und Verwendung der europäischen Datenbanken verbessern und ihre Interfunktionsfähigkeit gewährleisten. Er erscheint ebenso notwendig, den Exekutivbeamten einen einfacheren Zugang zur Gesamtheit der Dateien zu ermöglichen.
Bezüglich des Informationssystems Schengen (SIS II) im Besonderen könnte man dort die biometrischen Daten (Passfoto und Fingerabdruck) integrieren, um die Identifizierung gesuchter Personen zu erleichtern und zuverlässiger zu gestalten;
- es ist außerdem dringend erforderlich, eine Interfunktionsfähigkeit zwischen den verschiedenen bestehenden (SIS II, VIS, EURODAC) und zukünftigen europäischen Datenbanken (SES, ETIAS) zu entwickeln, mit einem einzigen Zugangspunkt, um gleichzeitig die Gesamtheit der Dateien abzufragen. Diese Fortschritte lassen vermuten, dass die Mitgliedsstaaten gemeinsame Vorgehensweisen und Regeln für die Erstellung ihrer Dateien verabschieden;
- hinsichtlich des europäischen PNR (die Datei mit den Fluggastdaten), der nach jahrelangen Verhandlungen endgültig im Jahr 2016 verabschiedet wurde, ist es bemerkenswert, dass bis heute nur ein einziges Land, nämlich das Vereinigte Königreich, ein abgeschlossenes nationales PNR vorweisen kann und nur drei andere europäische Länder - darunter Frankreich - sind gerade dabei, ein solches zu erstellen. Die schnelle Umsetzung dieses unerlässlichen Instrumentes erfordert deshalb noch bedeutende Anstrengungen.
2. Eine effiziente polizeiliche Zusammenarbeit gewährleisten: die Rolle von Europol
Frankreich spielt eine Rolle als Motor und übt einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die polizeiliche Kooperation in der Europäischen Union aus, ob es sich dabei um die Bereitstellung von Informationen im Informationssystem Schengen handelt oder um europäische Organe, welche mit dieser Operation in Verbindung stehen, nämlich Europol und Eurojust.
Mit einem Mitarbeiterstab von etwa 1.000 Personen ausgestattet, hat die europäische Agentur aktuell 368 Analysten und Experten für die Kriminalanalyse, zu denen weitere ca. 200 Verbindungsbeamte zählen, die auf dieses Gebiet spezialisiert sind.
Europol, die Super-Suchmaschine«, die auf die Kriminalanalyse spezialisiert ist, hat sich beständig an die neuen Aufgaben angepasst.
Im Rahmen einer mehrjährigen Strategie 2016-2020 hat es im Jahr 2013 ein Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität ins Leben gerufen, im Jahr 2015 ein Europäischen Zentrum zur Terrorismusabwehr (ein Großteil der 90 im Jahr 2017 neu geschaffenen Stellen dürfte auf dieses Zentrum entfallen), und im Jahr 2016 ein Europäisches Zentrum zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität.
Europol hat nicht das Ziel, ein europäisches FBI zu werden. Das heißt, es ist nicht befugt, Verdächtige zu verhaften oder ohne Zustimmung der nationalen Behörden in den einzelnen Mitgliedsstaaten einzugreifen. Die Agentur ist vor allem ein unterstützender Dienst.
Die Priorität liegt heute auf der Interfunktionsfähigkeit der Dateien: zwischen der Europol-Datei einerseits und den nationalen polizeilichen Datensätzen in den Mitgliedsstaaten andererseits.
Ein im Dezember 2015 veröffentlichter Fahrplan, der etwa 50 Maßnahmen enthält, sah einen Ausbau dieser Funktion vor. Aber das Problem ist nicht immer so einfach und die technischen Schwierigkeiten sind zahlreich, da die polizeilichen Dateien in jedem Mitgliedsstaat anders aufgebaut« sind. Das Projekt QUEST (Querting Europol Systems) sieht vor, den Nutzern einen erleichterten Zugang zu den Daten von Europol und den nationalen Datenbanken zu geben.
Der Verantwortliche für die europäische Kooperation der Polizei in der Zentraldirektion der Gerichtspolizei hat vor Ihrer Überwachungsgruppe bekannt, dass es wichtig wäre, den Zugang der nationalen Exekutivbeamten zu den verschiedenen bestehenden Datensätzen in Europa zu verbessern.
3. Die juristische Zusammenarbeit vorantreiben: Eurojust ausbauen und eine europäische Staatsanwaltschaft einrichten
Der Erfolg der juristischen Zusammenarbeit in der Europäischen Union zeugt von den Erfolgsaussichten einer Neugründung Europas.
Im Bereich der internationalen Amtshilfe hat das Europarecht, das in die nationalen Gesetze integriert ist, einen unbestrittenen Mehrwert an Wirksamkeit in der globalen Bekämpfung schwerer Verbrechen und des Terrorismus. Und dies wird auch in Zukunft so sein.
a) Eurojust
Die vollendete Form der europäischen justiziellen Zusammenarbeit - das Symbol für ein effizientes Europa« - ist offenkundig die Einheit Eurojust, die durch den Beschluss des Rates am 28. Februar 2002 geschaffen wurde, um die gemeinsame Bekämpfung gegen alle schweren Formen der Kriminalität zu verstärken. Dieses Instrument ist ein Organ der Europäischen Union mit Rechtsfähigkeit, das als Kollegium oder durch das nationale Mitglied handelt.
Die Einheit hat den Auftrag, die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den kompetenten Behörden der Mitgliedsstaaten in allen Ermittlungen und Verfahren zu verbessern, die innerhalb ihrer Kompetenzen liegen.
Die Einheit der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen Eurojust besteht aus 28 nationalen Büros, die in Echtzeit operative Informationen und Anfragen zur Amtshilfe austauschen.
Im Jahr 2015 haben die nationalen Büros innerhalb von Eurojust 274 Koordinationstreffen organisiert.
Zwei gemeinsame Ermittlungsteams wurden während der Terrorismusfälle 2015-2016 eingerichtet, wobei Europol und Eurojust vollständige Mitglieder des gemeinsamen Teams waren, das für die Akte der Attentate vom 13. November 2015 zusammengestellt wurde.
Die Verpflichtung, Eurojust in diesem Bereich zu informieren, ist im Artikel 13 des zuvor genannten europäischen Entschlusses bezüglich Eurojust sowie in Frankreich durch den Artikel 695-8-2 des Strafgesetzbuches vorgesehen. Sie ist allerdings relativ strengen Bedingungen unterlegen, die das Ergebnis eines politischen Kompromisses aus dem Jahr 2008 sind. Damals waren sowohl Deutschland als auch das Vereinigte Königreich gegen eine Informationsübertragung an Eurojust, da sie eine Dopplung mit Europol befürchteten.
Die große Mehrheit der 54.000 Datensätze, die derzeit in der Datei von Eurojust hinterlegt sind, stammen aus Akten zur Amtshilfe, die von den nationalen Büros geöffnet wurden und die sie systematisch in die Systemeinheit einpflegen.
Eurojust hat heute weder die Mittel noch die rechtliche Grundlage, die es ihr ermöglichen würden, eine wirkliche europäische Registratur« zu verwalten, in der alle in den Mitgliedsstaaten offenen Gerichtsverfahren gespeichert wären, insbesondere auf dem Gebiet des Terrorismus und der organisierten Kriminalität.
Dennoch könnte die Schaffung einer europäischen Registratur innerhalb von Eurojust ein großes operatives Interesse auf europäischer Ebene darstellen, da Überschneidungen zwischen offenen Gerichtsverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten möglich wären, die a priori keine Verbindung untereinander haben.
Die Einrichtung dieser europäischen Registratur würde eine bedeutende Veränderung der rechtlichen Grundlage der Einheit der justiziellen Zusammenarbeit erfordern. Einige Mitgliedsstaaten, die gegenüber Eurojust eher zurückhaltend sind, könnten sich von Neuem skeptisch zeigen.
b) Die europäische Staatsanwaltschaft
Mehrere nationale Parlamente (darunter der französische Senat) sind überein gekommen, die Diskussion auf eine europäische Staatsanwaltschaft in Form eines Kollegiums auszurichten. Dabei stützen sie sich auf die nationalen Vertreter in jedem Mitgliedsstaat. Das war ein Fortschritt.
Während des Trialogs haben einige Mitgliedsstaaten (Vereinigtes Königreich, Irland, Dänemark, Schweden und nun die Niederlande) eine entschiedene Opposition gegen das eigentliche Prinzip dieser Institution gezeigt. Andere (Italien) bedauerten anscheinend die ursprüngliche Version der Kommission, während Länder wie Frankreich, Deutschland, Spanien und Belgien das Prinzip dieser Institution bestätigten und zugleich genauere Informationen erbaten (für Deutschland beispielsweise, was das Recht auf Verteidigung für die Beschuldigten anbetrifft).
Dass die Diskussion immer noch weitergeht, liegt daran, dass die Debatte einen sehr technischen Charakter angenommen hat, insbesondere, ob der Mehrwertsteuerbetrug in den Kompetenzbereich der europäischen Staatsanwaltschaft fallen soll oder nicht.
Wir sehen nun eine verstärkte Zusammenarbeit« zwischen den Ländern vor, die dem Projekt positiv gegenüberstehen (mindestens neun Länder), um die innergemeinschaftlichen Finanzbetrügereien zu bekämpfen. Diese verstärkte Zusammenarbeit könnte zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im März 2017 beschlossen werden (mit einer Tätigkeitsaufnahme der europäischen Staatsanwaltschaft Ende 2018 oder Anfang 2019).
Der französische Senat fordert letztlich eine Kompetenzerweiterung der zukünftigen europäischen Staatsanwaltschaft auf die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, einschließlich des Terrorismus.
Es ist klar ersichtlich, dass eine solche Erweiterung in einem Programm zur Neugründung Europas auf grundlegenden Prioritäten Sinn machen würde.
Die terroristische Bedrohung destabilisiert die innere Sicherheit aller Mitgliedsstaaten, die sich genötigt sehen, auf außergewöhnliche Maßnahmen zurückzugreifen, wie den Notstand auszurufen oder die Freizügigkeit auf dem Territorium der Union kurzfristig einzuschränken. Diese ist jedoch eine grundlegende Errungenschaft der europäischen Integration.
Die Erschaffung einer wirklichen Europäischen Sicherheitsunion « würde die Prioritäten neu verteilen, indem sie insbesondere zur Neugründung Europas beiträgt, die heute so sehr gewünscht ist.
Trotz seiner kürzlichen Reform bleibt beispielsweise FRONTEX eine Agentur für Ressourcen, obwohl sie in eine wirkliche Polizei für die Außengrenzen der Union umgewandelt werden sollte.
Die Wiederbelebung der deutsch-französischen Achse ist jedoch, wie in vielen anderen Bereichen auch, Bedingung für die Einrichtung dieser Europäischen Sicherheitsunion«.
Empfehlungen für ein Europa der Sicherheit 1. Den Handlungsspielraum der Europäischen Union in der Bekämpfung des Terrorismus verstärken: - einen juristischen Rahmen zur Verschlüsselung schaffen, der es ermöglicht, die Nutzung des Internets für terroristische Zwecke wirksamer zu bekämpfen; - die Pflege und Verwendung der europäischen Datenbanken, die bei der Bekämpfung des Terrorismus helfen, verbessern; - die Interfunktionsfähigkeit zwischen den verschiedenen bestehenden (SIS II, VIS, EURODAC) und zukünftigen europäischen Datenbanken (SES, ETIAS) verstärken; - die Gesamtheit der europäischen Mitgliedsstaaten anregen, sich mit einem nationalen PNR auszustatten, um die volle Wirksamkeit des europäischen PNR zu gewährleisten. 2. Durch die Stärkung der Rolle von Europol eine effiziente polizeiliche Zusammenarbeit gewährleisten: - eine bessere Eingabe ins Informationssystem Schengen und in die europäischen Organe, die mit der europäischen polizeilichen Zusammenarbeit in Verbindung stehen, allen voran Europol, gewährleisten; - die Interfunktionsfähigkeit der Europol-Datei und der nationalen Polizeidateien in den Mitgliedsstaaten verbessern, um den Zugang der nationalen Exekutivbeamten zu den verschiedenen bestehenden Dateien in Europa zu erleichtern. 3. Eurojust ausbauen und eine europäische Staatsanwaltschaft einrichten, um die juristische Zusammenarbeit voranzutreiben: - die Verpflichtung, Eurojust zu informieren, verstärken, die derzeit sehr strengen Bedingungen unterlegen ist; - innerhalb von Eurojust eine europäische Registratur schaffen, die Überschneidungen zwischen offenen Gerichtsverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten ermöglicht; - die Tätigkeitsaufnahme einer europäischen Staatsanwaltschaft in Form eines Kollegiums zu beschleunigen, die sich auf die nationalen Vertreter der einzelnen Mitgliedsstaaten stützt, gegebenenfalls im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit; - die Kompetenzen der zukünftigen europäischen Staatsanwaltschaft auf die grenzüberschreitende, organisierte Kriminalität und auf die Bekämpfung des Terrorismus auszuweiten. |
* 2 Quelle: Anhörung von Herrn Gilles de Kerchove, Koordinator der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Anhörung erfolgte im Gesetzesausschuss und im Europa-Ausschuss des Senats im Februar 2016.